17.– 19.10.2022 in Berlin
100 Jahre Hufeisensiedlung – Tagung mit Begleitprogramm
Die Hufeisensiedlung in Neukölln-Britz feiert 2025 ihr 100-jähriges Jubiläum. Sie ist nicht nur die größte, sondern wohl auch die bekannteste Anlage des UNESCO-Welterbes „Siedlungen der Berliner Moderne“. Das sich um das namensgebende Hufeisen gruppierende, maßgeblich durch Bruno Taut gestaltete Ensemble aus Reihenhäusern, Geschosswohnungsbauten, Frei- und Gartenflächen entstand 1925-1930 in mehreren Bauabschnitten und ist Teil der „Großsiedlung Britz“. Bei der Tagung mit einem Begleitprogramm aus Ausstellungen, Filmvorführungen, Buchpräsentationen und geführten Rundgängen geht es um die Geschichte und Gegenwart des berühmten Ensembles sowie spezielle Projekte der Denkmalarbeit.

Programm 17.–19.10.2022
Freitag, 17.10.2022:
Vernissage und Auftakt
- 18.00 – 18:15 Uhr: Grußworte und kurze Einführung ins Thema
- Eröffnung der Sonderausstellung „Von Design-Fortbildung zur NS-Propaganda – Die Mietermagazine von EINFA und GEHAG 1930–1939“: Die Ausstellung widmet sich den von 1930–1939 monatlich herausgegebenen Mietermagazinen der EINFA. Diese war Teil der Wohnungsbaugesellschaft GEHAG und spiegelt die Umbrüche in der Politik des aus dem linken politischen Spektrum heraus entstandenen Unternehmens. Bis Mitte 1933 dreht es sich in den Magazine um Haus und Garten, zweckgemäße Einrichtung und gesundes Wohnen. Nach der Gleichschaltung der GEHAG änderte sich zunächst das Layout, später auch die Inhalte, so dass immer mehr NS-Propaganda Raum fand.
- 19:30 Uhr / Abendprogramm: Filmvorführung(en) zu den Welterbe-Siedlungen
Samstag, 18.10.2022:
Führungen, Buchpräsentation, Keynote-Event
- 11.00 – 13.00 Uhr: Architektur-Führungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Führenden:
Startpunkt: Infostation Hufeisensiedlung, Fritz-Reuter-Allee 44, 12359 Berlin. Die Rundgänge dauern etwa anderthalb bis zwei Stunden und widmen sich Aspekten der Bau-, Zeit, Sozial-, Kultur-, Stadt- und Architekturgeschichte. Bei größerer Nachfrage sind auch thematisch pointierte, zielgruppenspezifische oder auch englischsprachige Führungen denkbar. Mögliche Themenführungen wären dann „Wohnen im Welterbe“ (FFHBB e.V.), „Utopie und Idylle“ (Henning Holsten), „Wohnungsbau der GEHAG“ (Steffen Adam), „Gärten, Grün- und Freiflächen“ (Katrin Lesser) sowie „Architektur, Geschichte, Herausforderungen und Projekte“ (Ben Buschfeld). - 13.15 – 14.00 Uhr: Kurator*innen-Führungen; Am Ende der Touren besteht die Gelegenheit zum Besuch des mietbaren Museums TAUTES HEIM, mit Erläuterung durch die privaten Betreiber Katrin Lesser und Ben Buschfeld
- 14.00 – 15.30 Uhr: Buch-Präsentation TAUTES HEIM – Story & Details. mit Lesung und Gesprächen, Details und Beteiligte zu diesem Veranstaltungsteil werden noch bekannt gegeben. Eine Anmeldung ist erforderlich. (Die Adresse wird dann individuell bekannt gegeben.) —
- 14.00 – 15.45 Uhr – Alternativ: Gelegenheit für selbstorganisierte Imbisse und/oder Besichtigung der Dauer- und Sonderausstellung in der Infostation Hufeisensiedlung
- 16.00 Uhr: Keynote-Vortrag oder -Talk zu „100 Jahren Neues Bauen in Berlin“ (lokaler Veranstaltungsort: vmtl. Infostation Hufeisensiedlung, Gutshof Britz oder näheres Umfeld – Details, Sprecher und/oder Beteilgte werden noch bekannt gegeben)
- Im Anschluss: get together
- Orte: Infostation Hufeisensiedlung (Fritz-Reuter-Allee 44), TAUTES HEIM (Adresse bei Anmeldung), ggf. weiterer Vortragsort
Sonntag, 19.10.2022:
Öffentliches Symposium
- 9.30 – 10.00 Uhr: Ankunft am Konferenzort:
Kulturstall Britz – Schloß und Gutshof Britz, Alt-Britz 81-89, 12359 Berlin, Anfahrt per ÖPNV: Bus M46 / M44 bis „Fulhamer Allee“ oder U7 bis „Parchimer Allee“ + 700 Meter Fußweg. - 10.00 – ca. 18.30 Uhr: Symposium „100 JAHRE HUFEISENSIEDLUNG“
Das Symposium soll in unterschiedliche, gut 1-stündige Themen-Sektionen mit je circa 4 Bild- und Fachvorträgen gegliedert sein. Alle Titel sind Arbeitstitel. Details und Beteiligte folgen:- Sektion I: Vorgeschichte, Kontext und Stadtentwicklung
(650 Jahre Britz, Groß-Berlin, Wohnungsnot, Reformwohnungsbau, u.a.) - Sektion II: 1924–1945: Akteure zur Bauzeit, Gründung und Gleichschaltung
(Neues Bauen, GEHAG, Bruno Taut, Martin Wagner, NS-Zeit, u.a.) - Sektion III: 1945–2010: Wiederentdeckung und Inwertsetzung
(Gutachten, Denkmaleintragungen, Restaurierung, u.a.) - Sektion IV: 1998–2025: Privatisierung und heutige Situation
(Privatisierung, Lebensgefühl, Initiativen und Modellprojekte)
- Sektion I: Vorgeschichte, Kontext und Stadtentwicklung
- Im Verlauf des Programms sind Pausen und Raum für Diskussionen vorgesehen. Die Veranstaltung richtet sich an Bewohnende und die allgemein interessierte Öffentlichkeit. Auch Bewohnende ähnlicher Ensembles sind herzlich willkommen. Voraussischtlicher Konferenzort ist der Kulturstall auf dem Gelände des benachbarten Gutshof Britz
- Im Foyer wird eine temporäre Ausstellung zu den sechs Anlagen des Welterbes „Siedlungen der Berliner Moderne“ gezeigt.
Zum Thema
100 Jahre Hufeisensiedlung
Sechs Siedlungen der Berliner Moderne wurden 2008 gemeinsam zum UNESCO-Welterbe erklärt. Dieser Titel bedeutet, dass ihnen ein „herausragander universeller Wert für die Menschheitsgeschichte“ zugeschrieben wird. Wow, aber handelt es sich nur nur um einfachen Wohnungsbau?
Um diese Frage zu beantworten, hilft ein Blick in die Geschichte und der Vergleich der Situation mit unseren eigenen heutigen Bedürfnissen. Die sechs Siedlungen des Welterbes entstanden als Antwort auf die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Städten und industriellen Ballungsräumen Europas grassierende Wohnungsnot. Sie etablierten höhere hygienische Standards und neue Formen des mit viel Grün- und Freiräumen aufgelockerten Städtebaus.
Worum ging es bei der Planung ? — Auch heute sind diese Siedlungen beliebte Wohnquartiere – und gelten zu Recht als Berlins wichtigster Beitrag zur Architekturgeschichte. Hier wurden damals viele Fragen nicht nur gestellt, sondern gleich auch noch mustergültig beantwortet – Fragen, die uns bis heute bewegen, etwa: „Wie wollen wir leben?“, „Was macht gutes Wohnen aus?“, „Was können Architektur und Städtebau dazu beitragen?“, „Wie können bessere hygienische Bedingungen geschaffen werden?“, „Wie lässt sich gute Nachbarschaft stimulieren?“, „Wie begegne ich der im seriellen Bauen immer drohenden Monotonie?“ oder „Wie lassen sich neue überzeugende Konzepte auch finanziell, organisatorisch und politisch umsetzen?“
Was unterscheidet die beiden Teile der „Großsiedlung Britz“ ? — Aus diesen sechs als UNESCO-Welterbe geadelten Siedlungen ist die fast 2.000 Wohneinheiten umfassende Hufeisensiedlung nicht nur die größte, sondern auch das bekannteste und denkmalpflegerisch herausforderndste Ensemble. Bereits zu Bauzeiten fungierte die Großsiedlung in Neukölln-Britz als zweigeteilte „Schaustelle“. Hier konkurrierten zwei politische Lager und ihre jeweils protegierten Wohnungsbaugesellschaften GEHAG und DEGEWO, die jeweils eigene ästhetische Leitbilder und Umesetzungsstrategien verfolgten. Unter Leitung des von der politisch klug konstruiierten und abgesicherten Wohnungsbaugesellschaft GEHAG berufenen Chefarchitekten Bruno Taut wurden im Bauteil der Hufeisensiedlung neue Formen des Städtebaus erprobt und Bauteile entwickelt, die später leicht variiert in allen möglichen Teilen der neu geschaffenen „Einheitsgemeinde Gross-Berlin“ erneut Einsatz fanden.
Europäische Zeitgeschichte, Brückenschlag und Symbol — Der Städtebau in Britz skalierte die Prinzipien des aus England stammenden Gartenstadt-Konzepts mit genossenschaftlicher Trägerschaft, besseren hygienischen Standards und zur Selbstversorgung nutzbaren Gärten. Die von dem britischen Architekturtheoretiker Ebenezer Howard definierten Ideale einer neuen Regionalplanung wurden durch die GEHAG und ihren Chefarchitekten Bruno Taut in einen urbanen Geschosswohnungsbau überführt, der in hohen Stückzahlen und zeit- wie kostensparend in serieller Bauweise errichtet werden konnte und durch die der GEHAG angegliederte Berliner Bauhütte erfolgte. Diese Transformation wird vor allem im Vergleich der einzelnen zwischen 1925 und 1930 entstandenen sechs zum Welterbe zählenden Bauabschnitte deutlich. Die rund um die namensgebende ikonische, 350 Meter lange Hufeisenzeile gruppierte Siedlung ist zudem aber auch ein lehrreicher Spiegel der Kontroversen und Umbrüche späterer Dekaden. So lässt sich hier nicht nur der Diskurs zur Stadtentwicklung des frühen 20. Jahrhunderts, sondern auch die NS-Staat praktizierte Politik der Gleichschaltung, der geplante Umbau zur NS-Mustersiedlung sowie der typische wirtschaftsliberale Geist der späten 1990er-Jahre und seine Folgen nachzeichnen.
Privatisierung, Zivilgesellschaft und Modellcharakter — Nach dem vom Land Berlin eingeleiteten erfolgten Verkauf der GEHAG per Bieterverfahren im Jahr 1998 sowie mehreren dann erfolgten Transaktionen am Finanzmarkt wurden die das Straßenbild bestimmenden Reihenhäuser mit Gärten der Hufeisensiedlung sukzessive in privates Einzeleigentum umgewandelt. Diese massive Herausforderung für den homogenen Erhalt des ebenso ikonischen wie geschichtsträchtigen Ensembles führte zu zahlreichen Initiativen, Projekten und Publikationen, die aus dem Kreis der Bewohnenden initiiert und entwickelt wurden. Sie haben seitdem Bestand und können damit auch für vergleichbare Anlagen in Sachen zivilgesellschaftlicher Partizipation, praktischer Denkmalpflege und aktiver Vermittlung beispielgebend sein. Auch von diesen Ansätzen wird im Rahmen der Konferenz und bei den Touren berichtet.
Weitere Bezugspunkte
100 Jahre Neues Bauen — Aufgrund der Bedeutung der Hufeisensiedlung steht das Jubiläum in Britz gleichzeitig auch stellvertretend für das Momentum und den Wohnungsbau zur Zeit der klassischen Moderne – ein Jubiläum, was man am Besten an den besonders prominenten Bauten der Epoche festmachen kann und was ähnlich etwa auch in Frankfurt, Dessau und Magdeburg sowie einigen weiteren europäischen Metropolen begangen wird. Zwar wurde der Begriff bereits 1919 durch eine Publikation des Architekten Egon Erwin Gutkind geprägt, zur Umsetzung im großen Stil kam das Neuen Bauen aber erst ab 1924/25.
50 Jahre Europäisches Denkmalschutzjahr — unter dem Titel läuft ein weiteres Jubiläum mit Bezug zum Thema, welches auch im Programm zur Triennale der Moderne 2025 eine Rolle spielen wird. Das Jahr 1975 gilt in Fachkreisen als Beginn der modernen Denkmalpflege. Die Entwicklungen und Aktivitäten in Britz zeigen prototypisch auf, welche Katalysator-Rolle dem bürgerschaftlichen Engagement insbesondere in bewohnten Denkmalen zukommen kann.
650 Jahre Britz — Die Hufeisensiedlung ist Teil des Ortsteils Britz, der 1375 erstmalig urkundlich erwähnt wurde. Zu den drei Hauptsehenswürdigkeiten des heute zu Neukölln zählenden Ortsteiles zählen neber der Hufeisensiedlung noch das ehemaligen BUGA-Gelände des Britzer Garten und das (hier als Konferenzort dienende) idyllische Ensemble aus Schloss und Gutshof Britz.
Weitere Informationen zu Welterbe und Siedlung
Veranstalter

Verein der Freunde und Förderer
der Hufeiensiedlung Berlin-Britz e.V.
c/o Infostation Hufeisensiedlung
Fritz-Reuter-Allee 44, 12359 Berlin
Kuration und Organisation
Ben Buschfeld, buschfeld.com – graphic and interface design / Tautes Heim / Triennale der Moderne /
FFHBB e.V. / Deutscher Werkbund /
KulturerbeNetz.Berlin / Docomomo Germany
buschfeld.com | tautes-heim.de | LinkedIn
Büro +49 (0)30-25922963


Gefördert durch


Weitere Events

Übersicht der Beteiligten

Impressionen

Luftbild, 2014 (Foto: Ben Buschfeld)

Siedlungsleben, um 1940 (Privatarchiv)

2000-2025: Einzel-Verkäufe (Foto: Ben Buschfeld)

2011: Café + Ausstellung (Foto: Katrin Lesser)

Bruno Tauts Frühwerk, 1914 (gemeinfrei)

Mietermagazine 1930/33 (Privatarchiv Tautes Heim)

2007: Gründung des Vereins (Foto: FFHBB)

2012: Mietbares Museum (Foto: Tautes Heim)

Bauabschnitt I, Ende 1925 (gemeinfrei)

Postkarte, 1960er-Jahre (Privatarchiv)

2008: Unesco-Welterbe (Fotos: Ben Buschfeld)

Seit 2002: Denkmal-Führungen (Foto: Katrin Lesser)
Weitere Jubiläums-Events
650 Jahre Britz
Die Hufeisensiedlung zählt zu dem Neuköllner Ortsteil Britz. Die Geschichte geht zurück auf ein altes Rittergut, das 1375 erstmalig urkundlich erwähnt wurde und 2022 daher mit einer großen Zahl von Einzelevents seinen 650-jährigen Jahrestag begeht. Neben der Hufeisensiedlung gelten das benachbarte idyllische Areal von Schloss und Gutshof Britz sowie das ehemalige der Britzer Garten, der 1985 als Bundesgartenschau angelegte Parklandschaft als Hauptsehenswürdigkeiten des Ortsteils, der drei Stationen außerhalb des S-Bahnrings gelegen, so ganz anders ist, als das allgemeine Bild des Verwaltungsbezirks Neukölln.
WelterbeFestival
Zum Jubiläum des UNESCO-Weltkulturerbes gestalteten Musiker, Literaten sowie Experten bereits vom 23. bis 26. Juli 2022 ein vielseitiges Programm mit Konzerten, Expert*innen-Gesprächen, Lesungen, Ausstellungen und Filmvorführungen. Dazu veranstalten Schülerinnen und Schüler der an das Denkmalensemble angrenzenden Fritz-Karsen-Schule am 23.7. einen Kreativworkshop mit Finissage am Tag der Zeugnisvergabe. An Donnerstag und Freitag folgten zwei Tage mit Gesprächen, Konzerten und Events an ausgewählten Orten. Mit dabei waren etwa einer der typischen „Trockenboden“, die ehemalige Fleischerei und das „mietbare Museum“ Tautes Heim. Den feierlichen Abschluss bildet ein Festakt am Samstag, den 26. Juli mit „Wandelkonzerten“. Dabei führen und sprechen Architektur- und Denkmal-Expertinnen zu Originalschauplätzen der Hufeisensiedlung, während das Berliner Stegreif Orchester und ein Samba-Ensemble für die gute Unterhaltung sorgte. Veranstalter war das Landesdenkmalamt Berlin in Kooperation mit der Vonovia SE.